Der Dritte Ort. Obsolet geworden – oder unser neues öffentliches Wohnzimmer?
Wo sind wir, wenn wir nicht zuhause oder in der Arbeit sind? Dann sind wir an dem für uns so besonderen dritten Ort.
Was steckt hinter dem Begriff „Third Place“, der von Ray Oldenburg Ende der 80er geprägt wurde. Dritte Orte sind Räume, ein zweites Wohnzimmer, ein Ort der Begegnung. Das können öffentliche Räume im Stadtraum sein, aber auch halböffentliche Orte wie Bahnhöfe, Bildungseinrichtungen, Sport- oder Kulturstätten. Geschäfte und Gastronomie zählen ebenfalls zur Kategorie dritte Orte. Die Lebenswelten waren in den 80ern noch stärker abgetrennt, die Digitalisierung lässt diese Grenzen heute verschmelzen. Arbeit und Zuhause werden oft eins heutzutage. Berufe wandeln sich, aber auch das Freizeitverhalten.
Wo Leben lebendig ist, an einem Ort wo wir treffen, wer uns wichtig ist, oder auch ganz neu kennen lernen. Ein Ort wo wir vergessen, besprechen und beobachten können. Für eine Weile ist dieser Platz ein Teil von uns. Ein Lieblingsort der uns ausdrückt, wenn wir ihn zum Treffpunkt wählen. Immer auch ein Ort von Genuss. Wir alle haben ihn während der Lockdowns vermisst, er musste ruhen. (aus „Manifest an den dritten Ort“)
Die Pandemie hat den dritten Ort temporär obsolet gemacht. Doch lebendige Orte brauchen soziale Treffpunkte des Zufalls, denn dort entsteht Austausch für Neues. Dritte Orte sind daher heutzutage oft zweckfrei, aber mitunter auch konsumfrei. So sind neue Orte in dieser Covid Zeit entstanden. Ob die heimeligen Liegen im Riedergarten, der Kulturstrand am Innspitz, oder auch der Flamingo Beach – Orte die zu Treffpunkten geworden sind, an sonst weniger frequentieren Standorten. Sie haben Aufwertung erfahren und bieten nun Aufenthaltsqualität.
Der klassische dritte Ort wie die italienische Piazza wird auch in Rosenheim immer präsenter, mit dem Erfolg, dass sich Personen beginnen heimisch zu fühlen. So zu erkennen an den ausgedehnten Gastgärten und den gastronomischen Parklets, aber auch am Gerinne am Ludwigsplatz mit den oft gleichen Besuchern. Und auch immer mehr bei der Stadtbibliothek, die mit der herrlichen Gestaltung des Salzstadels eine Terrassenatmosphäre für viele Generationen geschaffen haben. „Die Stadtbibliothek ist ein Ort der Begegnung, des Lernens, der Inspiration und eines gemeinsamen Miteinanders. Für viele Menschen ist er schlicht und einfach ihr zweites Wohnzimmer und damit auch ein Stück Zuhause“ so Susanne Delp von der Stadtbibliothek Rosenheim.
Ähnliches ist auch schon seit Jahren am Grünen Markt zu beobachten. Es handelt sich nicht nur um einen Ort des Einkaufs, sondern vielmehr des Treffens, des Austauschens, des Wiedersehens. Ansprache zu haben oder zu interagieren steht im Fokus.
Wenngleich im Moment die innerstädtische Verödung propagiert und die Zentren totgeredet werden, Sabrina Obermoser vom City-Management Rosenheim zeigt sich überzeugt von dem Weg, den die Stadt Rosenheim seit Corona geht. Orte verwandeln sich und ändern ihren Charakter, so hat Rosenheim trotz all der widrigen Bedingungen Perlen mitten in der Innenstadt geschaffen, die es nun zu entdecken und zu erleben gilt. „Ich fühl mich zuhause“ ist eine Aussage, die sich nicht mehr nur auf die private Wohnung beschränken, sondern auf viele Orte in Rosenheim ausdehnen kann.
Foto: Stadtbibliothek Rosenheim
Bildunterschrift: Salzstadel – ein neuer Ort des Treffpunkts